Photonik-Akademie: voneinander lernen, gemeinsam Neues schaffen

Nachwuchs
21.08.2019
Erstellt von Photonik Forschung Deutschland

Bei der Photonik-Akademie 2019 haben 30 Studierende aus Natur- und Ingenieurwissenschaften Open Innovation näher kennengelernt. Eine Woche lang haben sie sich mit Vertretern aus Industrie und Forschung am Standort Jena ausgetauscht – und eigene Lösungsansätze für aktuelle Fragestellungen entwickelt.

Viele junge Leute stehen in einem Raum mit Pinnwänden, an denen bunte Zettel heften, und diskutieren.
Bei der Photonik-Akademie 2019 zum Thema Open Innovation stand das Selbermachen im Fokus. Im Innovation Camp diskutierten, entwickelten und realisierten die Teilnehmenden ihre Lösungsansätze. Bild: Kasper/FSU

Die Praxiswoche bot auch in diesem Jahr einen vollen und abwechslungsreichen Stundenplan. Im Fokus stand das Innovation Camp, das in den Räumen des Gastgebers Lichtwerkstatt Jena Lager bezog. Im Camp arbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Teams an aktuellen Problemstellungen, die Partnerunternehmen aus der Industrie vorab definiert hatten. Das dafür nötige Rüstzeug erlernten die Studierenden in Workshops: von Design Thinking und Optik Design über 3D-Druck, Lasercutting und Arduino-Programmierung bis hin zu Pitchtraining.

Photonik Forschung Deutschland sprach mit vier Teilnehmern darüber, wie sie die Woche erlebt haben und was sie für ihren Studien- sowie Berufsalltag mitnehmen.

Haben Sie sich schon vor der Photonik-Akademie 2019 mit offenen Innovationsprozessen beschäftigt?

Bodo Kaiser: Mit der Theorie von Open Innovation habe ich mich im Detail bisher noch nicht auseinandergesetzt. Mich interessierte insbesondere, wie Open Innovation in der Praxis gelebt wird. Wie setzen große Unternehmen Open Innovation um und wie schafft man es, die Menschen von ihren gewohnten Denkmustern zu befreien?

Nick Trapp: Bisher noch gar nicht. Ich wollte Open Innovation in Bezug auf meine eigene Fachrichtung aber unbedingt kennenlernen. Das Plakat und der Flyer zur Photonik-Akademie 2019 haben mir schon einen Hinweis gegeben, um was es geht. Als ich hierhin gekommen bin, wurden meine Erwartungen vollkommen erfüllt.

Vanessa Simon: Mit dem Thema Open Innovation habe ich mich etwas beschäftigt. Mich interessiert vor allem der Prozess des Design Thinking, also wie ein Produkt entworfen und umgesetzt wird, um grundlegende Probleme von Nutzern zu lösen. Da ich im Bereich der Photonik/Optik tätig bin, hat mich Rapid Prototyping besonders angesprochen, weil ich das in Bezug auf meine Fachrichtung noch nicht gemacht habe.

Was war für Sie die größte Herausforderung im Innovation Camp?

Bodo Kaiser: Sich in ein Themenfeld, mit dem man bisher wenig Berührungspunkte hatte, einzuarbeiten und sich dafür zu begeistern. Glücklicherweise waren mir zumindest grundlegende Konzepte aus dem Physikstudium bekannt, sodass ich mich relativ schnell einarbeiten konnte.

Lea Gleißner: Dass ich fachfremd war. Aber ich konnte vieles zu der Idee beisteuern, was hinterher damit gemacht werden kann. Für mich war es auch ziemlich cool im Optiklabor, das habe ich an der Uni noch nicht gemacht. Klasse, dass Jena das anbietet.

Nick Trapp: Man wächst ja bekanntlich, wenn man so etwas das erste Mal macht. Die Zusammenarbeit hat gut funktioniert. Dreieinhalb Tage für einen Lösungsansatz zu einer komplexen, praktischen Fragestellung, mit Theorie, mit Ideen, mit einem Prototyp – das ist schon sehr knapp und fordernd. Wir haben versucht, das Beste aus dem zu machen, was wir schon konnten, ob das Programmieren oder 3D-Design war. Ich würde es auf jeden Fall wieder machen, denn es war spannend.

Vanessa Simon: Ich fand es am schwierigsten, der Komplexität des Themas in der kurzen Zeit gerecht zu werden. Und vor allem zu entscheiden, welche Schritte ausgelassen werden müssen, um das Projekt trotz der knappen Zeit umsetzen zu können.

Und was fiel Ihnen am leichtesten?

Lea Gleißner: Im Optiklabor wurde es immer intuitiver. Ich habe mich nicht mehr gefragt: „Welchen Schraubendreher brauche ich?“, sondern einfach gemacht, das war cool. Beim Aufbauen konnte ich mich gut einbringen, da hatte ich was zum Anfassen, da konnte ich dazulernen. Das Leichteste für mich war, Antworten auf die Frage „Wozu kann das dienen?“ zu finden.

Nick Trapp: Das Reinkommen in das Ideenfinden, das Creative Thinking, fiel mir am leichtesten. Das hat mich sofort begeistert. Etwas schwieriger war es, sich in die Zusammenarbeit mit sehr unterschiedlichen Leuten in einer Gruppe hineinzufinden – dabei habe ich sehr viel gelernt.

Vanessa Simon: Die Realisierung des optischen Aufbaus und mein Wissen mit meinem Team zu teilen. Auch die Organisation der Aufgaben im Team und die Rücksprachen mit den einzelnen Mitgliedern, um zu wissen, wie weit wer ist und ob er Hilfe braucht. Das hat mir schon bei meiner Tätigkeit bei Fortis Saxonia e. V. Spaß gemacht, im Innovation Camp konnte ich das auch sehr gut einbringen.
(Anm. d. Red.: Fortis Saxonia e. V. ist ein Verein zur Förderung studentischer, nichtkommerzieller, vornehmlich ingenieurtechnischer Projekte und dem studienbegleitenden Erwerb praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet der Ingenieurwissenschaften und daran angrenzende Wissenschaften.)

Wie konnten Sie Ihre fachliche Expertise in der Challenge einbringen?

Nick Trapp: Als kreativer Kopf auf jeden Fall. Als jemand, der das Team strukturiert. Also den Teamkollegen hilft zu planen, wie sie etwas machen. Und eine treibende Kraft zu sein, die Kollegen zu motivieren, wenn sie ein schlechtes Gefühl haben oder die Motivation nachlässt.

Vanessa Simon: Bei mir war es das Fachliche. Ich konnte mich gut in den Algorithmus einarbeiten und meinem Team helfen, den optischen Aufbau zu realisieren.

Wie war es, Ihre Lösung vor einer Fachjury zu präsentieren?

Bodo Kaiser: Die Präsentation der Fachjury war einer der Höhepunkte der ganzen Woche. Die Herausforderung hierbei war es, die intensive Erfahrung der letzten Tage komprimiert und verständlich zu kommunizieren. Das Feedback der Fachjury hilft uns sehr für künftige Präsentationen.

Vanessa Simon: Obwohl ich am Anfang sehr nervös und aufgeregt war, habe ich großen Spaß an der Präsentation von Projektinhalten und liebe die Herausforderung, in begrenzter Zeit Wissen zu vermitteln und mich dann den Fragen zu stellen.

Wer sich mit Open Innovation beschäftigt, möchte oft selbst gründen – oder bekommt im Innovation Camp eine zündende Idee. Wie sieht es da bei Ihnen aus?

Bodo Kaiser: Ein Startup zu gründen oder in einem Startup zu arbeiten, ist tatsächlich die Option für die Zeit nach dem Studium bzw. der Promotion, die mich zurzeit am meisten anspricht. Allerdings sehe ich auch die Hürden: Bei einer Gründung fehlt einem in vielen Fällen die Branchenkenntnis, um mit Technologie ein großes Problem zu lösen. Auch das richtige Team zu finden ist eine Schwierigkeit, da die Gründungsaffinität in den Naturwissenschaften eher gering ist.

Nick Trapp: Ich möchte auf jeden Fall gründen. Und ich möchte auf jeden Fall etwas finden, womit ich Geld verdienen kann und wovon die Gesellschaft etwas hat. Denn die Gesellschaft hat mir bisher sehr viel ermöglicht, deshalb möchte ich etwas zurückgeben. Etwas, das viele nutzen können, wäre schön.

Vanessa Simon: Ich habe Ideen, würde diese aber gerne in einem schon bestehenden Start-up realisieren. Die eigene Gründung kommt für mich nicht in Frage.

Was nehmen Sie aus dieser Praxiswoche mit in Ihren Studien- bzw. Berufsalltag?

Bodo Kaiser: Den Eindruck vom Industrie- und Forschungsstandort Jena. Und den Prozess, wie man mit Design Thinking auf neue Produktideen kommt.

Lea Gleißner: Zum einen denke ich darüber nach, ob man auch als Chemikerin in die Photonik-Masterprogramm in Jena einsteigen kann. Zum anderen der Praxisbezug. Vor allem die Einstellung „Einfach mal machen und gucken, was dabei herauskommt.“, wie es eines der anderen Teams gemacht hat. Das fand ich richtig, richtig klasse. Die Denkprozesse, die Teamarbeit – ich denke, Teamarbeit kommt im naturwissenschaftlichen Studium zu kurz. Es wäre toll, so etwas öfter zu machen. Nicht nur „Das ist die Grundlage“, sondern „Entwerfen Sie etwas, das sich damit beschäftigt.“

Nick Trapp: Man muss den Dingen offen begegnen – und sich Gedanken machen, wie man ans Ziel kommt, anstatt sich Gedanken zu machen, warum es nicht geht.

Vanessa Simon: Eine sehr positive Erfahrung in der Teamarbeit. Wenn auf Zeit gearbeitet wird, ist es ein gutes Gefühl, sich auf sein Team verlassen zu können. Dadurch, dass wir von unserem Hintergrund unterschiedlich aufgestellt waren, sind sehr viele spannende Anregungen und Ideen entstanden. Es ist auch toll, dass ich gelernt habe, wie Rapid Prototyping funktioniert und wie man einen Pitch vorbereitet und durchführt. Das bringt mir einen großen Mehrwert für meinen Studienalltag.

Vielen Dank für das Gespräch!


Die Challenges im Innovation Camp

Challenge 1 – aura optik GmbH: Machbarkeitsstudie zu einem alternativen photonischen Verfahren für das Handling mikroskopischer Partikel für Anwendungen z. B. im Bereich der Forensik

Challenge 2 – Fraunhofer IOF: Demonstration eines alternativen effizienteren Ansatzes zur Erzeugung einer strukturierten Beleuchtung für die 3D-Sensorik

Challenge 3 – UC2: Realisierung einer vorkonfektionierten und dokumentierten Experimentierbox für Anwendungen im Bereich der Didaktik auf Basis des offenen optischen Baukastensystems „UC2“

Challenge 4 – ZAITLOS: Simulation und prototypische Realisierung von Auskoppelstrukturen in lichtleitenden Schichten für effiziente und homogene flächige Leuchtelemente

Challenge 5 – ZEISS AG: Aufbau eines linsenlosen Streuscheibenmikroskops einschließlich einer Software zur Rekonstruktion mikroskopischer Aufnahmen



Weitere Informationen

Photonik-Akademie 2019
Lichtwerkstatt Jena
Institut für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF

Drei junge Männer und zwei junge Frauen stehen nah beeinander vor einer Steinwand, sie lächeln
Vanessa Simon (vorne links) und Lea Gleißner (vorne rechts) mit ihren Teamkollegen der ZEISS-Challenge. Bild: Lichtwerkstatt Jena
Sechs junge Männer stehen nah beeinander vor einer Steinwand, sie lächeln
Bodo Kaiser (zweiter von links) mit seinen Teamkollegen der aura-optik-Challenge. Bild: Lichtwerkstatt Jena
Drei junge Männer und zwei junge Frauen stehen nah beeinander vor einer Steinwand, sie lächeln
Nick Trapp (dritter von rechts) mit seinen Teamkollegen der UC2-Challenge. Bild: Lichtwerkstatt Jena
Gruppen von jungen Leuten stehen vor Pinnwänden mit bunten, beschrifteten Zetteln und diskutieren
Design-Thinking-Workshop bei der Photonik-Akademie 2019. Bild: Kasper/FSU
Vier junge Männer arbeiten in einem Labor an einem optischen Aufbau und testen diesen
Entwicklungsarbeiten im Innovation Camp. Bild: Lichtwerkstatt Jena
Drei junge Männer stehen vor einem Tisch mit einem 3D-Drucker, einem quadratischen Kasten mit Öffnung oben und einer Glasscheibe an der Frontseite
Im Innovation Camp konnten die Teilnehmenden 3D-Drucker nutzen, um Bauteile für ihre Prototypen zu herzustellen. Bild: Kasper/FSU
Ein Mann schüttelt einer jungen Frau die Hand, in der Hand hält er eine Dokumentenmappe. Im Hintergund stehen drei junge Männer und eine junge Frau.
Nachdem die Teams ihre Lösungsansätze vor der Fachjury präsentiert hatten, überreichten Dr. Frank Schlie, BMBF, und David Zakoth, Lichtwerkstatt Jena, (nicht im Bild) die Teilnahmezertifikate. Bild: Kasper/FSU
Dreißig junge Männer und Frauen stehen dicht zusammen, sie lächeln in die Kamera
Gruppenfoto der Photonik-Akademie 2019. Bild: Kasper/FSU

Die Gesprächspartner

Lea Gleißner studiert Chemie (Bachelor) an der Universität Bayreuth.

Bodo Kaiser studiert Physik (Master) an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Vanessa Simon studiert Sensorik und kognitive Psychologie (Master) an der Technischen Universität Chemnitz.

Nick Trapp studiert Chemie (Bachelor) an der Ruhr-Universität Bochum.